Heinrich Mann – Schnappschüsse eines Lebens 2

„Meine Bildungsmittel waren französische Bücher, Krankheit, das Leben in Italien und zwei Frauen.“

Am 27. März 1871 erblickt Heinrich Mann in Lübeck das Licht der Welt, eine Welt, in der es durch die Stellung seines Vaters – jener ist dort Senator auf Lebenszeit – an nichts mangelt. Dennoch ist sein Lebensweg geprägt von Brüchen und gesundheitlichen Problemen.

Er verlässt die Schule vorzeitig und beendet auch die Buchhandelslehre in Dresden nicht. Auf das Volontariat im Fischer Verlag folgt bereits die Arbeit als freier Schriftsteller.

Häufige Kur- und Sanatoriumsaufenthalte vor allem in Italien verbessern seinen Gesundheitszustand nicht wesentlich. Dennoch arbeitet er ohne Unterlass an Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln sowie seinen Romanen.

Zeitlebens äußert sich Heinrich Mann zu den politischen Verhältnissen. Dies führt schließlich auch zum mehrere Jahre andauernden Bruch mit seinem nicht minder berühmten Bruder Thomas. Heinrich positioniert sich beispielsweise – ganz im Gegensatz zu Thomas – gegen die Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkriegs.

Nachdem sich bereits 1910 seine geliebte Schwester Carla das Leben nahm, halten die 1920er Jahre weitere Schicksalsschläge für ihn bereit. 1923 stirbt seine Mutter, vier Jahre später wählt auch seine zweite Schwester Julia den Freitod. 1928 trennt er sich von seiner ersten Frau, mit der er eine Tochter hat.

Der Aufstieg der Nationalsozialisten zwingt ihn zur Flucht nach Frankreich, denn Heinrich Mann steht als einer der ersten bereits 1933 auf der Ausbürgerungsliste. Später emigriert er in die USA, wo er für Warner Brothers Drehbücher schreibt. Dort allerdings kann er nie wirklich Fuß fassen, ihn begleiten Geldnöte und Einsamkeit. Der Freitod seiner zweiten Frau belastet ihn zusätzlich sehr stark. Sein politisches Engagement und das Schreiben setzt er dennoch unermüdlich fort.

1950 – kurz vor seiner Rückkehr nach Deutschland – stirbt Heinrich Mann in Santa Monica.

heinrich mann

Auswahl der Publikationen Heinrich Manns, die neben den aufgeführten Romanen auch Essays, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel umfassen:

Haltlos (1894)
Im Schlaraffenland (1900)
Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy [Trilogie] (1903)
Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen (1905) – 1930 in Der Blaue Engel mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle verfilmt
Der Untertan (1918)
Der Kopf (1925)
Die Jugend des Königs Henri Quatre (1935)
Die Vollendung des Königs Henri Quatre (1938)
Lidice (1942)
Der Atem (1949)

Katz und Maus – Heinrich Manns „Professor Unrat“

professor unratBei manchen Büchern braucht man ja mehrere Anläufe. Mit diesem hier ging es mir so. Als ich nun aber ein zweites Mal anfing, war es mir ein großes Lesevergnügen.

Man fällt von einem Gefühl ins nächste – Unsicherheit, Mitleid, Scham, ja sogar Wut können einem aufkommen, wenn man sich mit dem Professor Raat einlässt, dessen ganzes Sein auf das „Fassen“ seiner ihn „Unrat“ schimpfenden Schüler ausgerichtet ist.
Heinrich Mann lässt den Leser des Professors Hass buchstäblich fühlen – Gift und Galle spritzen alle seine Worte und Gedanken. Wie er sich bewegt, der Herr Lehrer zwischen all den einfachen Geschöpfen, die der menschlichen Gesellschaft nicht würdig sind. Bis – ja, bis er auf die Künstlerin Fröhlich trifft, die dem „Unrätchen“ das Portemonnaie anzapft.

Es ist eine wahrlich tragische Symbiose eines rachsüchtigen, verbitterten Professors und einer geltungssüchtigen, aber liebevoll einfach gestrickten Seele, die bereitwillig seine Vergeltungspläne vorbereitet. Wundervoll, wie Mann die einfachen Leute ihren Dialekt sprechen lässt, dem Professor hingegen gedrechselte Sätze in den Mund legt. Man sieht sie alle förmlich vor sich, wie sie lachen, wie sie weinen, wie sie schwitzen und sich quälen. Die Verquickungen nehmen immer weiter zu und man fragt sich ernstlich, wo das Ganze eigentlich hinführen soll.

Die Beobachtungen des Menschseins im Allgemeinen sowie zwischenmenschlicher Machtverhältnisse im Besonderen sind entlarvend, amüsant und manches Mal auch geradezu erschreckend. Denn man kennt „den längeren Hebel“, den ein Lehrer häufig innerhalb des Schulgebäudes besitzt, weiß aber auch von der Grausamkeit, die Schüler außerhalb desselben zeigen können.

Wer sich also nicht gleich abschrecken lässt von einem schon etwas in die Jahre gekommenen Deutsch und ein bißchen Voyeurismus mitbringt, der wird sich bei dieser Lektüre vergnüglich die Hände reiben.