Schiffbruch ohne Tiger – Gerhart Hauptmanns „Atlantis“

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Atlantis ist ein von Platon beschriebenes, an einem einzigen Tag untergegangenes Inselreich. Atlantis war stark, expansiv, nahezu unbesiegbar – einzig die Mächte der Natur konnten es bezwingen. Es versank in den Tiefen des Meeres. Bis heute ist es ein Mythos, bis heute konnte nicht geklärt werden, ob es wirklich existierte oder nur der Phantasie Platons entsprang. Ein sagenumwobener Untergang!

In Hauptmanns gleichnamigem Roman geht es ebenfalls um einen Untergang – allerdings handelt es sich hierbei um einen Schnelldampfer, ein Meisterwerk der Technik – riesig, stark, scheinbar unbezwingbar. Scheinbar. Denn Mutter Natur fordert ihren Tribut. Das Schiff versinkt.

Als das Buch 1912 erschien, sah man darin die Vorwegnahme des Unglücks der Titanic. Doch Gerhard Hauptmann war kein Hellseher. Denn hinter den lesbaren Worten lauert seine Kritik. Eine Kritik am Bürgertum des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Aber auch sie ging unter – im Strudel der schrecklichen Ereignisse – zusammen mit der Titanic.

Dabei wird eigentlich schnell offensichtlich, was der Autor ausdrücken will. In allem, was seine Figuren sagen, tun beziehungsweise lassen, erkennt man Hauptmanns Anliegen. Seine Sprache ist sehr deutlich, von nahezu naturwissenschaftlicher Nüchernheit geprägt. Dennoch erzählt er nicht langweilig, lässt phantasievolle Einsprengsel zu. Ich hatte das Gefühl, einige Sätze sind regelrecht komponiert. Mir persönlich gefällt sein Schreibstil, weil er die klugen Einfälle gut unterstreicht.

Obwohl sich die Geschichte langsam anlässt und zunächst nichts Neues zu versprechen scheint, bin ich ohne Schwierigkeiten dabei geblieben. Die Entwicklung der Personen ist zwar in Ansätzen vorhersagbar, für den Plot trifft dies jedoch nicht zu.

Man muss also kein Fan von Katastrophenszenarien sein, um sich auf diesen Roman einlassen zu können. Die Fähigkeit zwischen den Zeilen zu lesen, sollte man aber dennoch besitzen. Wem diese fehlt, dem sei das äußerst interessante Nachwort wärmstens ans Herz gelegt – quasi als Rettungsring in den Wogen einer Gesellschaftskritik.

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